Barrieren im Gesundheitswesen

PD Dr. Tanja Sappok
Evangelisches Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge, Berlin

Barrieren im Gesundheitswesen
für Menschen mit Autismus

 

Dr. Tanja Sappok

Dr. Tanja SappokDie Barrieren für Menschen mit Autismus im Zugang zum Gesundheitssystem sind nicht vergleichbar mit physischen Barrieren wie z.B. für Rollstuhlfahrer. Barrierefreiheit für Menschen mit Autismus ist weit mehr als eine Frage der räumlichen Umgebung. Auch in den Köpfen der Mitarbeiter des Gesundheitssystems können Barrieren wirken. Im Rahmen eines Fachkräftetreffens in Berlin wurden im Jahr 2015 von Betroffenen vor allem Schwierigkeiten in der Kommunikation benannt: Offene Fragen überfordern; Zeitmangel zum Antworten und Überlegen; Schwierigkeiten verbal und nonverbal zu kommunizieren; Mimik, Gestik und Prosodie sind eingeschränkt oder geben tatsächliches Befinden nicht wieder; Schwierigkeit, Sinneseindrucke, Empfindungen und Beobachtungen zum inneren Erleben in Sprache zu formulieren; Verständnisschwierigkeiten, z.B. bei Diagnosemitteilungen oder ärztlichen Attesten und Unwissen über die mit den medizinischen Diagnosen verbundenen Implikationen.

 

Weitere Schwierigkeiten ergaben sich in der Praxisorganisation. Bei der Terminvereinbarung bestehen Schwierigkeiten zu telefonieren; Emails und Briefe blieben teilweise unbeantwortet. In der Wartesituation ist die körperliche Nähe zu anderen Wartepersonen unangenehm. Zusätzlich entsteht Stress durch die zeitliche Unsicherheit. Betroffene beklagen in Praxisräumen sensorische Überstimulation durch visuelle Reize wie Leuchtstoffröhren, Reflektionen durch z.B. unentspiegelte Brillengläser, Geräusche oder Gerüche. Störgeräusche durch z.B. Telefon, Lautstärkepegel, Hintergrundgeräusche und bestimmte Tonfrequenzen werden als unangenehm, schmerzhaft oder irritierend empfunden und wirken erschöpfend. Untersuchungen, insbesondere unangekündigte körperliche Berührungen, werden als unangenehm empfunden, das Schmerzempfinden vieler Menschen mit Autismus ist reduziert und oft ist ihnen der Zusammenhang, das Ziel, die Folge, der Anfang sowie das Ende einer Untersuchung unklar. Im Krankenhaus beklagen sie Stress durch Personalwechsel.