Podium: Aus therapeutischer Sicht

Götz Schwope, Sabine Brockmann
Konzepte und Weiterentwicklungsbedarfe im Gesundheitswesen

Statements und Diskussion –
Podiumsbeiträge aus therapeutischer Sicht

 

Götz Schwope

Götz Schwope praktiziert seit 1999 als niedergelassener Kinder- und Jugendpsychotherapeut mit Praxis in Stadthagen und war zuvor zehn Jahre im Autismus-Zentrum-Hannover (ehemals Autismus-Therapie-Zentrum Hannover) tätig. Er ist Vorstandsmitglied der Psychotherapeutenkammer Niedersachsen, die in den letzten 17 Jahren erfolgreich darauf hinwirkte, dass sich die psychotherapeutische Versorgung für Kinder und Jugendliche verbessert. Von allen Klienten, die Psychotherapie nachsuchen, sind 20% Kinder und Jugendliche bis zum vollendeten 21. Lebensjahr. Er spricht sich für mehr Fortbildungen zum Thema Autismus für Psychotherapeuten aus, wobei gerade bei Autismus auch die praktische Erfahrung wichtig wäre. Insgesamt ist im psychotherapeutischen Bereich für Kinder und Jugendliche der Kenntnisstand über komorbide psychiatrische Störungsbilder wie Depression und Ängste bei Autismus höher als für Erwachsene. Die Versorgungslage für Erwachsene mit Autismus im Bereich Psychotherapie muss dringend verbessert werden. Zusätzlich bedarf es in Niedersachsen eines Medizinischen Versorgungszentrums für Erwachsene mit Behinderung, ähnlich den Sozialpädiatrischen Zentren für Kinder und Jugendliche. Jedoch fällt dies nicht in die Zuständigkeit der Psychotherapeutenkammer Niedersachsen sondern in den Bereich der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft. Geplant ist langfristig die bundesweite Schaffung von Versorgungszentren für behinderte Erwachsene. Es müssen interessierte und motivierte Ärzte und Psychotherapeuten für einen Aufbau gefunden werden, und Träger müssen für sich erkennen, dass dies ein wichtiger Versorgungsbereich ist.

 

Sabine Brockmann

Sabine Brockmann, langjährige leitende Mitarbeiterin der gGiS Hannover im Bereich der schulischen und sozialen Begleitung von Menschen mit Behinderungen, setzt sich seit 2007 in der Landesarbeitsgemeinschaft Autismus für eine Verbesserung der psychosozialen und gesundheitlichen Versorgung von Menschen mit Autismus ein. Sie bestätigt die Schwierigkeit, als Autist einen Termin bei einem behandelnden Arzt, der sich mit Autismus auskennt, zu erhalten. Eine Verbesserung dieser Situation könne auch nicht durch Verordnungen erreicht werden, sondern bedarf einer offenen Grundhaltung gegenüber den besonderen Aufgabenstellungen im Umgang mit Autisten. In Hannover sei die Grundversorgung von Kindern und Jugendlichen aus dem autistischen Spektrum noch relativ gut. Aber für Erwachsene beginnt die Unterversorgung bereits bei der Möglichkeit einer Diagnostik, die teilweise eine jahrelange Wartezeit mit sich bringt. In der Autismus-Sprechstunde der Medizinischen Hochschule Hannover ist gegenwärtig eine Terminvereinbarung zur diagnostischen Überprüfung von Autismus bei Erwachsenen nach frühestens sechs Monaten möglich, was sich bei erhöhter Nachfrage auch noch verlängern kann. Zudem ist die telefonische Erreichbarkeit der MHH-Autismus-Sprechstunde sehr eingeschränkt und die Option, eine Nachricht auf Anrufbeantworter zu hinterlassen, stellt für Menschen mit Autismus oft eine hohe Hürde dar. Auch eine Beratung für Erwachsene ist nicht wirklich möglich, wenn keine Optionen für Diagnostik, Behandlung und Therapie vorhanden sind. Dies war auch der Anlass, dass bereits vorhandene Beratungsangebote für Erwachsene mit Autismus wieder eingestellt wurden.