Podium: Aus medizinischer Sicht

Dr. Mayer-Amberg, Dr. Gisbert Voigt 
Konzepte und Weiterentwicklungsbedarfe im Gesundheitswesen

Statements und Diskussion –
Podiumsbeiträge aus medizinischer Sicht

 

Dr. Mayer-Amberg

Dr. Mayer-Amberg begleitet seit 2002 als praktizierender Psychiater in Hannover Menschen mit Autismus. Anfangs zählten vorwiegend nicht sprechende Autisten zu seiner Klientel, heute diagnostiziert und versorgt er psychiatrisch auch viele Menschen mit einem Asperger-Syndrom. Er ist Vorsitzender des Ausschusses für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung des Landes Niedersachsen, der jedoch keinen Einfluss auf die Ausgestaltung von Arbeitsschwerpunkten niedergelassener Psychiater hat, um die psychiatrische Versorgung speziell von Erwachsenen mit Autismus zu fördern. Die von Silke Lipinski in ihrem Vortrag dargelegten Defizite von Ärzten im Kenntnisstand über Autismus konnte Dr. Mayer-Amberg bestätigen. Um als Psychiaterin oder Psychiater eine qualifizierte Diagnostik bei Erwachsenen mit Verdacht auf Asperger-Syndrom durchzuführen, bedarf es zusätzlich zur fachlichen Kenntnis und Qualifikation auch praktischer Erfahrung im Umgang mit Menschen mit Autismus. Denn auch wenn sich für betroffen Fühlende über Selbsttests im Internet ein erhöhter Autismus-Wert ergibt, heißt das nicht gleich, dass real ein Asperger-Syndrom gegeben ist, selbst wenn Anlagen in das autistische Spektrum gegeben sind. Wünschenswert wäre, den Begriff Autismus und die autistische Störung an sich nicht nur als etwas Schweres anzusehen, das man nicht greifen kann. Die autistische Lebensart ist auch als eine besondere Art das Leben, die Umwelt und Beziehung zu gestalten anzuerkennen und ist nicht immer ausschließlich als Krankheit oder als krankhafte Störung zu begreifen.

 

Dr. Gisbert Voigt

Dr. Gisbert Voigt praktiziert seit 1984 als niedergelassener Kinderarzt in Melle, ist Vorsitzender der Bezirksstelle der Ärztekammer Niedersachsen in Osnabrück und als Vorstandsmitglied im Landesvorstand der Ärztekammer Niedersachsen tätig. Die Ärztekammer plant dem niedrigen Kenntnisstand von Fachärzten zum Thema Autismus bei Erwachsenen durch Fortbildungen entgegenzuwirken. Ebenso möchte die Ärztekammer Einfluss auf Verordnungen nehmen, durch die die Versorgung von Erwachsenen mit Autismus verbessert wird. Jedoch sind alle Maßnahmen, die jetzt beginnen, in ihrer Auswirkung langfristig. Es geht darum, grundsätzlich Ärztinnen und Ärzte für dieses Thema zu sensibilisieren und zu gewinnen und darauf hinzuwirken, dass die Probleme gerade von hochfunktionalen Erwachsenen mit Autismus in der Ärzteschaft klarer erkannt und begleitet werden. Dr. Voigt weist darauf hin, dass die Autismus-Spektrum-Störung keine seltene Erscheinung ist. Bei einer Prävalenz von 1% in der Bevölkerung sind das in Deutschland 800.000 Autisten unter 80 Millionen Einwohnern. Hier kann man aus ärztlicher Sicht nicht so tun als gäbe es keinen Handlungsbedarf. Die Situation der gesundheitlichen Versorgung speziell für Erwachsene mit Asperger-Syndrom muss sich künftig verbessern.